Nachfolgend ein Beitrag vom 21.3.2019 von Schroeder/Loy, jurisPR-WettbR 3/2019 Anm. 6. (Dieser Beitrag weist die Besonderheit auf, dass die Verfasser an dem Klageverfahren auf Beklagtenseite beteiligt waren. Die weitere Besonderheit ist jedoch, dass die Kanzlei OEHLMANN vor etwa 20 Jahren erst in einem Verfahren für einen britischen Baumaschinenhändler auf die EU-Rechtswidrigkeit der sog. „Ausländersicherheit“ hingewiesen hatte und hierdurch erst die begehrte Feststellung erlangt hatte, in der Folge dessen dann die entsprechende Gesetzesänderung der Zivilprozessordnung umgesetzt worden ist. Man könnte sagen, dass sich mit dem „Brexit“ der Kreis schließt. Wir gehen jedoch davon aus, dass durch völkerrechtliche Verträge der aktuelle Rechtszustand perpetuiert werden wird.)

Orientierungssatz zur Anmerkung

Für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Festsetzung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1 ZPO ist der Zeitpunkt der Entscheidung über diese relevant. Ein geplanter Austritt eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Union gibt keine Veranlassung bereits vor dem Austritt eine Prozesskostensicherheit festzusetzen. So erfasst § 111 ZPO solche Fälle, in denen die Pflicht zur Sicherheitsleistung nachträglich im Laufe des Verfahrens entsteht.

A. Problemstellung

Die 4c. Zivilkammer des LG Düsseldorf befasst sich in ihrer Entscheidung mit der Einrede mangelnder Prozesskostensicherheit für eine juristische Person als Klägerin mit Sitz im Vereinigten Königreich in Anbetracht dessen bevorstehenden Austritts aus der Europäischen Union („Brexit“).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten in der Hauptsache um Ansprüche wegen Patentverletzung. Die Klägerin ist juristische Person mit Satzungs- und Verwaltungssitz im Vereinigten Königreich. Sie erhob im Mai 2018 Klage gegen ein deutsches Unternehmen.
Mit der Verteidigungsanzeige erhob die Beklagte die Einrede mangelnder Prozesskostensicherheit nach § 110 ZPO. Zur Begründung führte sie den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) an. Nach dem gesetzlichen Regelfall der §§ 110 , 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO müsse die Einrede innerhalb der Frist zur Klageerwiderung erhoben werden, da der entsprechende Vortrag sonst präkludiert sei. Daher stehe auch § 111 ZPO der Begründetheit der Einrede (jetzt) nicht entgegen. Die Norm erlaube lediglich ausnahmsweise die Erhebung der Einrede zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie zu Beginn des Verfahrens noch nicht erhoben werden könne. So liege der Fall aber nicht, weil der Brexit kalendermäßig bestimmt sei: Gemäß Art. 50 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AEUV stehe der Austritt des Vereinigten Königreichs zum 29.03.2019 verbindlich fest. Dabei bedeute die ausnahmsweise Zulässigkeit der späteren Erhebung der Einrede eben nicht, dass sie später erhoben werden müsse. Dies überzeuge auch vor dem Hintergrund der Forderung nach frühestmöglicher Erhebung gemäß den §§ 282 Abs. 3 und 296 Abs. 3 ZPO sowie des Zwecks von § 110 ZPO (dazu BGH, Urt. v. 21.06.2016 – X ZR 41/15 Rn. 20 – GRUR 2016, 1204). Die Klägerin bezog sich auf § 111 ZPO und führte ergänzend als weitere völkerrechtliche Verträge i.S.v. § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an:
(1) Art. 11 des Draft Withdrawal Agreement vom 28.02.2018 (TF50 (2018) 33 – Commission to EU 27, „DWA“);
(2) Art. 14 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens vom 20.03.1928 (dt.-brit. RHA) sowie
(3) Art. 9 Abs. 1 des Europäischen Niederlassungsabkommens von 1955 (ENA).
Mit Zwischenurteil vom 27.09.2018 wies die Kammer den Antrag auf Leistung einer Prozesskostensicherheit als derzeit unbegründet zurück. Die Kammer stellt maßgeblich darauf ab, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU hat. Der zukünftige (mögliche) Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem Staatenverbund sei unbeachtlich. Diese Beurteilung ändere auch die prozessuale Verpflichtung aus den §§ 110 , 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht, da diese eben nur gelte, sofern die Voraussetzungen in diesem Zeitpunkt vorlägen – andere Fälle regele § 111 ZPO. Folgerichtig geht die Kammer auf weitere völkerrechtliche Verträge nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht weiter ein.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung wirft ein erstes Licht auf praktische Auswirkungen des nahenden Brexits auf allgemeine prozessuale Fragen, hier die der Prozesskostensicherheit. Insoweit beurteilt die Kammer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO konsequent nach dem Status quo und grenzt die §§ 110 und 111 ZPO insoweit rein zeitlich ab. Dieser formelle Ansatz ermöglicht eine eindeutige Handhabe, stellt aber schutzwürdige Belange des Beklagten hintenan. Insoweit bleibt offen, ob dem „gewöhnlichen Aufenthalt […] in einem Mitgliedstaat“ in § 110 Abs. 1 ZPO vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm nicht auch ein perspektivisches Element inhärent ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

In der Entscheidung unbeantwortet bleibt die im Verhältnis zu Klägern aus dem Vereinigten Königreich in naher Zukunft – jedenfalls nach derzeitigem Stand – entscheidende Frage der Relevanz weiterer völkerrechtlicher Verträge für eine Befreiung nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dazu sei kurz Stellung bezogen:
Jedenfalls die drei weiteren oben genannten Abkommen sind im hiesigen Sachverhalt nicht einschlägig:
(1) Das DWA ist schon formell kein „Vertrag“ i.S.d. § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO;
(2) das dt.-brit. RHA befreit nach Art. 14 nur dann von der Pflicht zur Stellung einer Sicherheitsleistung, wenn der Begünstigte (hier: die Klägerin) seinen Sitz in dem genannten Gebiet (hier: Deutschland) hätte;
(3) gemäß Art. 30 des ENA gilt die Befreiung nach Art. 9 ENA nur für natürliche Personen. Daher hat das OLG Düsseldorf bereits 1993 entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in UK weder nach (2) noch (3) von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.02.1993 – 15 U 146/92 – NJW 1993, 2447).

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Anmerkung der Redaktion: Die Kanzlei der Verfasser war an diesem Verfahren beklagtenseitig beteiligt.

Prozesskostensicherheit und
Carsten OehlmannRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Prozesskostensicherheit und
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mühlhausen
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Leinefelde
Telefon: 03605 544 330

Gotha
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