Nachfolgend ein Beitrag vom 12.2.2019 von Spanke, jurisPR-FamR 3/2019 Anm. 1

Leitsatz

Eine Pflichtteilsklausel, die auf ein „Verlangen“ des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten abstellt, greift nicht bereits dann ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung des überlebenden angreift (im Anschluss und in Abgrenzung zu OLG München, Beschl. v. 07.04.2011 – 31 Wx 227/10).

A. Problemstellung

Die Entscheidung betrifft die Frage, durch welche Verhaltensweisen die in einem Testament angeordnete Pflichtteilsklausel ausgelöst wird, insbesondere, ob dies auch dann der Fall ist, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte gegen die Wirksamkeit des Testamentes an sich wendet, ohne ausdrücklich den Pflichtteil zu verlangen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament zunächst gegenseitig zu alleinigen Vollerben eingesetzt und zu Schlusserben die beiden gemeinschaftlichen Kinder bestimmt. Zudem enthielt das Testament folgende Klausel: „Verlangt einer unserer Abkömmlinge auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so sind er und seine Nachkommen von der Erbfolge auf Ableben des Längerlebenden (Längstlebenden) ausgeschlossen. Ferner erhalten in diesem Fall unser anderes Kind und seiner Abkömmlinge aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Geldvermächtnis in Höhe des Wertes seines gesetzlichen Erbteils auf Ableben des Erstversterbenden, wenn dieser erst beim Tod des Längerlebenden (Längstlebenden) verstorben wäre, berechnet aus dem zum Zeitpunkt des Todes des Längerlebenden noch vorhandenen Nachlass des Erstversterbenden. Diese Vermächtnisse fallen erst mit dem Tod des Längerlebenden an und nur an zu diesem Zeitpunkt noch lebende Bedachte.“
Nach dem Tod eines Ehegatten beantragte eines der Kinder die Einziehung des Erbscheines, welcher den längerlebenden Elternteil als Alleinerben auswies. Dabei erhob das die Einziehung begehrende Kind Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments (Hinweise auf Auffälligkeiten betreffend die Testamentsurkunde sowie das Vorliegen eines Testierwillens des Erblassers). Das andere Kind war nun nach dem Tod des längerlebenden Elternteils der Auffassung, es sei alleiniger Erbe des letztversterbenden Elternteils geworden, da die in dem Testament enthaltene Pflichtteilsklausel durch das von dem Geschwister initiierte Einziehungsverfahren auf den Tod des erstversterbenden Elternteils ausgelöst worden sei. Die entsprechende Klausel in dem Testament sei dahingehend auszulegen, dass unter „Verlangen“ auch ein Bekämpfen der Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten falle. Nachdem das Nachlassgericht diese Auffassung nicht geteilt hatte und die Voraussetzungen für die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins als festgestellt erachtete, legte das Kind, nach dessen Ansicht die Pflichtteilsklausel ausgelöst worden ist, hiergegen Beschwerde ein.
Die Beschwerde blieb jedoch vor dem OLG München ohne Erfolg.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt die in dem Nachlassverfahren betreffend den vorverstorbenen Ehegatten beantragte Einziehung des Erbscheins kein „Verlangen“ im Sinne der von den Ehegatten angeordneten Pflichtteilsklausel dar.
Eine Pflichtteilsklausel, wie sie im vorliegenden Fall verwendet wurde, solle sicherstellen, dass dem überlebenden Ehegatten bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibe und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Abkömmlings gestört werde. Im Zusammenhang mit der Schlusserbenregelung solle die Verwirkungsklausel auch das Interesse der Ehepartner, insbesondere des Erstversterbenden, daran sichern, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt werde. Welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der Pflichtteilsklausel erfüllt sein müssen, hänge im Einzelfall von der Gestaltung bzw. Formulierung und dem Willen der Erblasser ab, der ggf. im Wege der Auslegung festzustellen sei. Insofern könne eine Pflichtteilsklausel auch dann eingreifen, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments geltend mache und seinen gesetzlichen Erbteil fordere.
Im vorliegenden Fall lasse sich der Pflichtteilsklausel in dem Testament jedoch nicht die Willensrichtung der Ehegatten entnehmen, dass bereits eine beantragte Einziehung des zugunsten des längerlebenden Elternteils erteilten Erbscheins von der Klausel mitumfasst werde. Nach dem Wortlaut sanktioniere die Formulierung bereits einen ausdrücklichen und ernsthaften, auch außergerichtlichen Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil beziffere oder diesen tatsächlich erhalte. Dem könne jedoch nicht der Antrag auf Einziehung des zugunsten des längerlebenden Ehegatten erteilten Erbscheins gleichgestellt werden. Damit sei nämlich noch kein aktiver Zugriff des Pflichtteilsberechtigten auf das Nachlassvermögen des Erstversterbenden verbunden, den die von den Ehegatten verwendete Fassung der Klausel erfordere
Für den Eintritt der Klausel genüge es nicht bereits, dass die erstrebte Einziehung des Erbscheins letztendlich auch den Verlust der Alleinerbenstellung des längerlebenden Ehegatten zur Folge haben könne. Mit der Klausel werde nicht jedes Verhalten eines Schlusserben gegen die in der letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen sanktioniert, sondern nur solches, dem ein aktives Verlangen nach Erhalt eines Anteils am Nachlassvermögen des Erstversterbenden innewohne.

C. Kontext der Entscheidung

Mit Beschluss vom 07.04.2011 (31 Wx 227/10) hatte das OLG München entschieden, dass eine Pflichtteilsklausel auch dann eingreifen kann, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testamentes geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil fordert. Im vorliegenden Fall sah das OLG München gleichwohl keinen Widerspruch zu dieser früheren Entscheidung, da der Pflichtteilsberechtigte in dem jetzt entschiedenen Fall eine solche Forderung nicht erhoben hatte.

D. Auswirkungen für die Praxis

Damit die (potentiellen) Erben nicht – wie in dem hier entschiedenen Fall – auf eine Testamentsauslegung durch das Gericht zurückgreifen müssen, kann im Rahmen einer Pflichtteilsklausel nicht nur ausdrücklich geregelt werden, ob bereits das Auskunftsverlangen oder die Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs deren Tatbestand erfüllt, sondern auch, ob sich die Pflichtteilsklausel auf Einwände gegen die Wirksamkeit des Testamentes erstreckt oder nicht. Greifen Einwände gegen die Wirksamkeit des Testamentes jedoch durch, werden diese regelmäßig auch die Pflichtteilsklausel selbst erfassen.

Kein „Verlangen“ des Pflichtteils durch Einwände gegen Testament
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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