Nachfolgend ein Beitrag vom 14.2.2019 von Körner, jurisPR-VersR 2/2019 Anm. 3
Leitsatz
Eine in der Teilkaskoversicherung versicherte Entwendung eines Fahrzeugs liegt nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer als Vermieter das Fahrzeug aufgrund eines Mietvertrages einer Person überlässt, die unter Vorlage fremder Papiere unter falschem Namen auftritt und das Fahrzeug nicht zurückbringt; es handelt sich auch nicht um einen sog. Trickdiebstahl.
A. Problemstellung
Das KG hatte zu klären, ob eine in der Kfz-Teilkaskoversicherung versicherte Entwendung vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer das Kfz als Vermieter für eine Woche aufgrund eines entsprechenden Mietvertrages einem Dritten überlässt, welcher unter Vorlage fremder Papiere und unter falschem Namen auftritt und das Fahrzeug nicht zurückbringt. Insoweit hatte das Gericht insbesondere abzugrenzen, ob ein versicherter Diebstahl vorliegt oder eine nicht versicherte Unterschlagung oder ein nicht versicherter (Besitz-)Betrug.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Versicherungsnehmerin begehrt als Klägerin von der beklagten Versicherung Leistungen aus der Teilkaskoversicherung des entwendeten Kfz.
Das LG Berlin (Urt. v. 23.01.2018 – 41 O 279/16) hatte die Klage abgewiesen. Das KG hat durch den hier besprochenen Beschluss darauf hingewiesen, dass es beabsichtige die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung sei, dass das Rechtsmittel in der Sache offensichtlich unbegründet sei (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Ausweislich A.2.2. Ziffer 2 der zugrunde liegenden AKB (Stand Juli 2014) ist das streitgegenständliche Kfz gegen eine Entwendung durch Raub und Diebstahl versichert. Zudem besteht Versicherungsschutz auch gegen Entwendung durch Unterschlagung, dies jedoch nur in Fällen, in welchen dem Täter das Kfz weder zum Gebrauch in seinem eigenen Interesse noch zur Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt überlassen worden war.
Dass KG Berlin führt aus, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht zustehe, nach welchem ein versichertes Ereignis nicht eingetreten sei, da ein Versicherungsschutz gegen Betrug nicht bestehe.
Auf Basis ihres eigenen Vortrages habe die Klägerin das versicherte Kfz nicht durch einen versicherten Trickdiebstahl verloren, sondern durch einen Besitzbetrug und eine anschließende Unterschlagung. In der zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation habe der Täter durch eine Täuschung über seine Identität den Abschluss eines Mietvertrages über das versicherte Kfz erwirkt, aufgrund dessen die Klägerin und Versicherungsnehmerin dem Täter für die Dauer der Mietzeit nach Maßgabe des § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB den Gewahrsam an dem PKW zu gewähren hätte und auch gewährt habe. Durch die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an dem Kfz auf den Täter habe der Geschäftsführer der Klägerin für die Dauer der vereinbarten Mietzeit die jederzeitige Einwirkungsmöglichkeit auf das Kfz aufgegeben und nicht lediglich in eine Lockerung des Gewahrsams eingewilligt. Im Rahmen der Hauptpflicht aus dem Mietvertrag sei dem Täter das Kfz gerade zum eigenen Gebrauch überlassen worden. Hierzu gehöre insbesondere die Übertragung des unmittelbaren Besitzes und damit des Gewahrsams. Die Klägerin habe nur noch die Stellung eines mittelbaren Besitzers nach § 858 BGB innegehabt. Als solcher habe die Klägerin keinen Gewahrsam i.S.d. § 242 StGB gehabt.
Dass einer der Fahrzeugschlüssel bei der Klägerin verblieben sei, ändere an den Gewahrsamsverhältnissen nichts. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Klägerin mangels Kenntnis vom jeweiligen Aufenthaltsort des Kfz während der Dauer der Mietzeit – tatsächlich – keinen Zugriff auf dieses gehabt habe. Dies gelte auch dann, wenn die Parteien eine Nutzung nur innerhalb des Stadtgebietes von Berlin vereinbart hätten, weil die Klägerin das Fahrzeug in einer Millionenstadt nur durch Zufall hätte ausfindig machen können.
Da dem Täter das Kfz aufgrund eines Mietvertrages für eine Woche überlassen worden sei, habe die Klägerin – auch aus Rechtsgründen – keine Zugriffsmöglichkeit auf das Kfz mehr gehabt.
Soweit der Täter sich das Fahrzeug nach der Besitzerlangung rechtswidrig zugeeignet habe, stelle dies strafrechtliche eine Unterschlagung i.S.d. § 246 StGB dar, durch welche ein versichertes Ereignis nicht belegt werde. Ausweislich A.2.2 – Ziffer 2 sei das Kfz nicht gegen ein Abhandenkommen durch Unterschlagung versichert, wenn dem Täter zuvor der Besitz zum Gebrauch in seinem eigenen Interesse überlassen worden sei. Dies sei vorliegend jedoch gerade der Fall gewesen, da die Klägerin dem Täter das Fahrzeug im Zuge ihrer mietvertraglichen Pflichten für eine Woche zur Eigennutzung überlassen habe.
C. Kontext der Entscheidung
Das Bestehen von Versicherungsschutz hing vorliegend entscheidend von der Frage ab, ob das von der Klägerin geschilderte Geschehen als ein Diebstahl oder ein Betrug mit anschließender Unterschlagung zu qualifizieren ist. Die in A.2.2 AKB 2014 verwendeten Begriffe waren dabei nach den allgemeinen Grundsätzen des Versicherungsrechts so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der nicht über versicherungsrechtliches Spezialwissen verfügt, sie bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2005 – IV ZR 83/04 – VersR 2005, 1417). Enthalten Allgemeine Versicherungsbedingungen einen Ausdruck, welchen die Rechtssprache mit einem fest umrissenen Begriff verwendet, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen. Die verwendeten Begrifflichkeiten von Unterschlagung und Diebstahl entsprechen damit jenen der Rechtsprechung zu § 246 StGB und § 242 StGB in Strafsachen. Selbiges gilt hinsichtlich der Begrifflichkeit des Betruges i.S.d. § 263 StGB.
Ein Besitzbetrug liegt vor, wenn das durch Täuschung erlangte Einverständnis sich in vollem Umfang auf die erstrebte Gewahrsamsänderung erstreckt. Eine Vermögensgefährdung durch Ermöglichung des Diebeszugriffs ist nicht schon als Schaden im Sinne des Betrugstatbestandes anzusehen. In Fällen, in denen sich der Gewahrsamsübergang in einem mehraktigen Geschehen vollzieht, kommt es für die Abgrenzung entscheidend auf die Willensrichtung des Getäuschten in dem Zeitpunkt an, in dem er die tatsächliche Herrschaft über die Sache vollständig verliert. An einem (wirksamen) Einverständnis fehlt es dann, wenn der Zustimmende sich nicht vorstellt, den Gewahrsam endgültig zu verlieren, sondern nur an eine „Gewahrsamslockerung“ denkt (vgl. Schmitz, in: MünchKomm StGB, 3. Aufl. 2017, § 242 Rn. 94).
In den AKB wird klargestellt, dass eine Unterschlagung nur versichert ist, wenn dem Täter das Fahrzeug nicht zum Gebrauch in seinem eigenen Interesse überlassen wird. Dem Versicherungsnehmer soll Schutz vor all denjenigen Risiken gegeben werden, welche von ihm nicht voll beherrschbar sind. Demgegenüber sollen freiwillig eingegangene Risiken, etwa weil der Versicherungsnehmer den Wagen freiwillig einem anderen in dessen eigenem Interesse überlässt nicht versichert sein (vgl. Halbach, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, AKB 2008 A.2.2, Rn. 22). Damit besteht kein Deckungsschutz, wenn der Mieter das Fahrzeug nicht zurückgibt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des KG bestätigt den Umfang des Versicherungsschutzes im Rahmen eines Kfz-Kaskoversicherungsvertrages im Grenzbereich zwischen versicherten Trickdiebstahl und nicht versichertem (Besitz-)Betrug mit anschließender Unterschlagung. Sie konkretisiert und begrenzt den Begriff des gelockerten Gewahrsams durch eine nähere Beschreibung des Begriffs der Zugriffsmöglichkeit und verdient vor diesem Hintergrund Beachtung sowohl im Straf- wie auch im Versicherungsrecht.
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