Nachfolgend ein Beitrag vom 12.2.2019 von Adamus, jurisPR-FamR 3/2019 Anm. 5
Leitsatz
Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Mutter nach § 1615l BGB setzt das Bestehen der rechtlichen Vaterschaft infolge Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung voraus.
A. Problemstellung
Kann der Mutter ohne Feststellung der rechtlichen Vaterschaft ein Unterhaltsanspruch gegen den biologischen Vater zustehen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin begehrt für ihren Antrag auf Zahlung von Elternunterhalt nach § 1615l BGB und Kindesunterhalt für das ungeborene Kind Verfahrenskostenhilfe. Vorgetragen wird, dass als Vater des Kindes ausschließlich der Antragsgegner in Frage komme, der von der Antragstellerin mit der Schwangerschaft konfrontiert, dieses lediglich gleichgültig hingenommen und im weiteren Verfahren die Vaterschaft nicht bestritten habe. Das Familiengericht hat die beantragte Verfahrenskostenhilfe versagt. Ein Unterhaltsanspruch gegen einen nur mutmaßlichen Vater kenne das Gesetz nicht, das bloße Nichtbestreiten der Vaterschaft sei nicht ausreichend.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 1615l BGB sei es erforderlich, dass die Vaterschaft entweder nach den §§ 1592 Nr. 3, 1600d Abs. 1 und 2 BGB rechtskräftig festgestellt oder nach den §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB anerkannt ist. Nur eine Mindermeinung, der nicht zu folgen sei, halte eine Geltendmachung von Ansprüchen aus § 1615l BGB bereits dann für möglich, wenn die Vaterschaft nicht bestritten wird (Born in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2017, § 1615l Rn. 3; Viefhus in: jurisPK-BGB, Stand: 19.03.2018 unter Hinweis auf OLG Zweibrücken, Urt. v. 05.08.1997 – 5 UF 126/96 und OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.09.1994 – 3 UF 41/94). Aus den Gesetzgebungsmaterialien sei ersichtlich, dass die Geltendmachung der Ansprüche nach § 1615l BGB von der vorherigen Anerkennung oder rechtkräftigen Vaterschaftsfeststellung abhängig sei (vgl. BT-Drs. V/2370, S. 35). Auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 247 bis 248 FamFG sprächen dagegen. Gerade vor der Geburt und bis zur Anhängigkeit eines Feststellungsverfahren (§ 247 FamFG) bzw. während eines Verfahrens nach § 1600d BGB (§ 248 FamFG) gebe das Gesetz der Mutter eine besondere verfahrensrechtliche Möglichkeit, Unterhaltsansprüche vor Feststellung oder Anerkennung erfolgreich geltend zu machen (vgl. BT-Drs 16/6308, S. 260).
C. Kontext der Entscheidung
Die Ansicht des OLG Oldenburg ist zutreffend. Der Unterhaltsanspruch des Kindes und der Mutter nach § 1615l BGB setzt voraus, dass die Vaterschaft entweder nach den §§ 1592 Nr. 3, 1600d Abs. 1 und 2 BGB rechtskräftig festgestellt oder nach den §§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB anerkannt ist. Die Rechtswirkungen der Vaterschaft (Unterhaltsverpflichtung) können schließlich gemäß § 1600d Abs. 4 BGB erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden. Gerade in den Fällen, in denen zuvor keine rechtliche Vaterschaft bestand und der biologische Vater bekannt ist, hat der Gesetzgeber mit den §§ 247, 248 FamFG (früher § 1615o BGB) die Möglichkeit eröffnet schon vor Feststellung der Vaterschaft den gesetzlichen Unterhalt geltend machen zu können.
Das OLG Oldenburg setzt sich zudem mit der Mindermeinung, die den Unterhaltsanspruch bei unstreitiger Vaterschaft auch ohne Vaterschaftsfeststellung als durchsetzbar erachtet, auseinander. Es stellt dabei fest, dass die dort zitierten Entscheidungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorf und OLG Zweibrücken befassen sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Ehemann dem Anspruch entgegenhalten kann, dass er nicht biologischer Vater des Kindes ist. In diesen Fällen wurde der Einwand – ohne Anerkennung der Vaterschaft durch den anderen Mann – berücksichtigt, weil die Vaterschaft zwischen den Beteiligten unstreitig war. Lediglich die weitere Entscheidung des OLG Schleswig (Urt. v. 19.12.2007 – 15 UF 142/07) betrifft einen ähnlich gelagerten Fall. Im Rahmen der Prüfung einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Kindesmutter vertrat das OLG Schleswig die Ansicht, dass die Geltendmachung des Anspruchs nicht voraussetze, dass die Nichtehelichkeit des Kindes rechtskräftig festgestellt ist. Es reiche (mit Verweis auf die Entscheidungen des OLG Zweibrücken und OLG Düsseldorf) aus, wenn der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Mann die Vaterschaft nicht bestreitet, so dass der Anspruch entstanden war und verwirken konnte. Die genannten Entscheidungen werden in der abweichenden Kommentarliteratur zur Begründung der Mindermeinung herangezogen. Die in diesen Einzelfällen vertretene Auffassung kann jedoch nicht generell richtig sein.
Weiterhin befasst sich das OLG Oldenburg mit den seltenen Fällen der inzidenten Feststellung (ohne dass diese den Status des Kindes verändert) der Vaterschaft. Anerkannt ist dies im Rahmen des § 1579 Nr. 7 BGB bei der Feststellung einer unbilligen Härte (Kuckuckskind, vgl. BGH, Urt. v. 15.02.2012 – XII ZR 137/09 Rn. 27 ff.) und beim Scheinvaterregress. Sofern nämlich der rechtliche Vater andernfalls rechtlos gestellt wäre, weil Kindesmutter und mutmaßlicher Erzeuger des Kindes nicht bereit sind, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 16.04.2008 – XII ZR 144/06 – BGHZ 176, 327-337), kann der ehemals rechtliche Vater ausnahmsweise den Regress nach § 1607 Abs. 3 BGB auch ohne Vaterschaftsfeststellung durchführen. Andererseits kann der Anspruch des Scheinvaters deshalb auch schon vor Feststellung der Vaterschaft verjähren. Die Verjährung beginnt nämlich mit der Rechtskraft der Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater (BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 56/16).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt auf, dass sowohl der Anspruch nach § 1615l BGB als auch der des Kindes nach den §§ 1601 ff. BGB gegen den Vater grundsätzlich von der rechtlich anerkannten oder festgestellten Vaterschaft nach § 1592 BGB abhängig ist. Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können gemäß § 1600d Abs. 4 BGB erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden (Rechtsausübungssperre). Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die §§ 247, 248 FamFG geschaffen, damit der Anspruch im Wege der einstweiligen Anordnung, schon vor Feststellung der Vaterschaft, durchgesetzt werden kann.
Anderes gilt nach der Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise für den Scheinvaterregress, mit dem der per Gesetz übergegangene Kindesunterhalt gegen den Erzeuger des Kindes geltend gemacht werden kann. Hier kann und muss der Anspruch zeitnah nach rechtskräftigem Abschluss der Vaterschaftsanfechtung durchgesetzt werden, wenn Kindemutter und Erzeuger die Feststellung des wahren Vaters vereiteln, weil der Anspruch sonst nach drei Jahren verjährt.
Andere Maßstäbe erscheinen möglich, wenn die biologische Vaterschaft unstreitig ist und diese als Einwand gegen einen Anspruch erhoben werden kann.
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