BGH, Pressemitteilung vom 02.12.2020

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil dem Kläger nach seiner Behauptung wegen seines Alters der Zutritt zu einer Musikveranstaltung verweigert worden ist.

Sachverhalt:

Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte am 26. August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Vorprozessual teilte die Beklagte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Benachteiligung wegen des Alters vorliege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er begehrt von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht ist der Meinung, dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu, da dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet sei. Das Benachteiligungsverbot sei auf Massengeschäfte (Fall 1) beschränkt, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (wie etwa Einzelhandel, Personennahverkehr, Kino, Schwimmbäder), oder auf diesen gleichgestellte Geschäfte, bei denen für den Anbieter einer Leistung nach der Art des Schuldverhältnisses die persönliche Auswahl seines Vertragspartners nachrangige Bedeutung hat (Fall 2).

Keiner der beiden Fälle liege hier vor. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Veranstaltung nicht für ein allgemeines Publikum vorgesehen, sondern nur für – zudem in bestimmter Art und Weise („Partygänger“) gekleidete – Personen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren zugänglich gewesen sei. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zur altersmäßig definierten Zielgruppe sei es auf den optischen Eindruck angekommen, eine Alterskontrolle habe nicht stattgefunden.

Diese Entscheidung der Beklagten, die Veranstaltung auf den von ihr näher definierten Teilnehmerkreis zu beschränken, sei maßgeblich. Dass für Veranstaltungen der vorliegenden Art und Größe eine der Einlasspraxis der Beklagten widersprechende Verkehrssitte bestehe, ergebe sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Bei Zugrundelegung einer die Art der Veranstaltung bewertenden, typisierenden Betrachtungsweise sei nicht davon auszugehen, dass persönlichen Merkmalen der Teilnehmer nur nachrangige Bedeutung zukomme. Gerade im Bereich von Musik- und Tanzveranstaltungen finde sich – je nach Art der Musik – ein bestimmtes, nach Alter und Aufmachung homogenes Publikum ein, das unter sich bleiben wolle. Dies sei ein maßgebliches Kriterium für den Erfolg einer Veranstaltung. Einem privatwirtschaftlichen Veranstalter wie der Beklagten müsse daher ein weiter Beurteilungsspielraum zustehen, wie er den Erfolg einer Veranstaltung sicherstellen wolle. Hierzu gehöre jedenfalls bei Veranstaltungen mit der vorliegenden Höchstkapazität von 1.500 Personen die Beschränkung des Zutritts auf bestimmte Zielgruppen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.


Vorinstanzen:

AG München – Urteil vom 10.Oktober 2018 – 122 C 5020/18

LG München I – Urteil vom 31. März 2020 – 13 S 17353/18

Karlsruhe, den 2. Dezember 2020

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