BGH, Pressemitteilung vom 17.09.2019

Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein bewohnt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld II und erhält zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 € pro Monat zuzüglich eines Heizkostenvorschusses in Höhe von 90,- €.

Die beklagte Vermieterin ließ im Haus verschiedene Baumaßnahmen durchführen. Unter anderem wurden Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchgeführt, die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm ersetzt und ein seit den 1970er Jahren stillgelegter Fahrstuhl wieder in Betrieb genommen.

Ende März 2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1. Januar 2017 um 240,- € monatlich. Hiervon entfielen nach ihren Erläuterungen 70,- € auf die Dämmungsarbeiten (davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70,- € auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte.

Er erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung von 240 € monatlich verpflichtet sei. Das Amtsgericht hat daraufhin jedoch nur festgestellt, dass er nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 € für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Kläger aufgrund seines Härteeinwands ab dem 1. Januar 2017 zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden Betrag von zusätzlich 4,16 € monatlich. Die weiteren Mieterhöhungen (100,- € für den Balkonanbau und 65,84 € für die Dämmung der Außenfassade) seien unwirksam, weil sie für den Kläger jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Beklagten nicht zu rechtfertigen sei.

Angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers würden beide Mieterhöhungen für sich betrachtet jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er die Wohnung aufgeben müsse. Die Frage, ob die Wohnung mit knapp 86 qm für den Kläger als Einzelperson unangemessen groß sei, spiele hierbei keine Rolle.  Denn die Angemessenheit der Wohnungsgröße für die Anzahl der darin wohnenden Personen stelle aus Sicht des Berufungsgerichts kein Kriterium dar, das bei der Abwägung nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB zu berücksichtigen sei. Der Sinn und Zweck des Härteeinwands aus § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB bestehe gerade darin, dass Wohnungen trotz der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen auch für Mieter mit geringem Einkommen finanzierbar blieben und so eine Gentrifizierung verhindert werde. Außerdem wohne der Kläger schon seit seinem fünften Lebensjahr in der Wohnung, sodass ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden könne, schon seit Beginn des Mietverhältnisses über seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben.

Dem Kläger sei die Berufung auf den Einwand der finanziellen Härte auch nicht gemäß § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB verwehrt. Insbesondere werde eine Wohnung durch den Anbau eines 5 qm großen Balkons nicht nur in einen allgemein üblichen Zustand versetzt. Denn der Berliner Mietspiegel werte Balkone mit über 4 qm Fläche als wohnwerterhöhend. Die Fassadendämmung stelle eine energetische Maßnahme nach § 555b Nr. 1 BGB dar, die nicht gemäß § 555b Nr. 6 BGB aufgrund von Umständen durchgeführt worden sei, die die Beklagte als Vermieterin nicht zu vertreten habe. Sie habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Instandsetzungsbedarf mehr als 10 Prozent der Fassadenfläche betragen habe und sie daher im Rahmen der Erneuerung des Außenputzes aufgrund der Vorschriften der Energieeinsparverordnung zur Vornahme einer Wärmedämmung verpflichtet gewesen sei.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Karlsruhe, den 17. September 2019

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