Nachfolgend ein Beitrag vom 11.10.2018 von Günther, jurisPR-VersR 10/2018 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Nach einem Hinweisbeschluss des KG genügt der Versicherungsnehmer einer Hausratversicherung seiner Beweislast für das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls bei einem sog. Einsteigediebstahl nur dann, wenn er das Vorhandensein von Spuren nachweist, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass sich der Dieb auf ungewöhnliche, nach den üblichen Gegebenheiten des Bauwerks nicht vorgesehene Weise Zugang zu seiner Beute verschafft hat. Dagegen genügt es nicht, wenn die vorhandene bestimmungsgemäße Zugangsmöglichkeit ihrer Art oder ihrem Zustand nach nur unter Schwierigkeiten, die sich auch dem Berechtigten entgegenstellen, genutzt werden kann.
Bleibt die konkrete Art des Eindringens unklar, kann der Beweis des äußeren Bildes laut KG auch dadurch geführt werden, dass bei mehreren in Betracht kommenden Tatmodalitäten die nicht versicherten Möglichkeiten ausgeschlossen oder so unwahrscheinlich sind, dass sich daraus im Gegenschluss die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines versicherten Einbruchdiebstahls ergibt.

A. Problemstellung

Das KG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzten, welche Anforderungen an die Beweisführung für den Nachweis einer Entwendung bzw. des äußeren Bildes eines Einbruch- bzw. Einsteigediebstahl zu stellen sind. Darüber hinaus äußerte es sich dazu, welche Auswirkung eine Falschangabe des Versicherungsnehmers auf dessen Glaubwürdigkeit, insbesondere in Bezug auf die ihm eingeräumte Beweiserleichterung für den Entwendungsnachweis, haben kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Beklagte eintrittspflichtig ist, da das vorliegende Schadensereignis einen Einbruchdiebstahl – in die von ihm und seiner Familie bewohnte Wohnung – darstelle. Nach Angabe des Klägers hat sich der Einbruchdiebstahl im Zeitraum des frühen Abends bis zum Mittag des Folgetages ereignet. Ein Fenster im Kinderzimmer wies einen Defekt am Schließmechanismus auf und war nach Angabe des Sohnes – welcher die Wohnung als letzter Bewohner verlassen hatte – mit waagerechter Riegelstellung lediglich zugedrückt. Die als erste heimkehrende Ehefrau des Klägers stellte Kratzspuren an der Eingangstür fest, machte jedoch keine Feststellungen zu dem Zustand des Fensters. Die herbeigerufenen Polizeibeamten betätigten den Riegel des Fensters mehrfach. Ob das Fenster dadurch oder schon zu einem früheren Zeitpunkt aus der Aufhängung gesprungen war, ließ sich nicht mehr ermitteln. Der Kläger gab gegenüber der Beklagten und der Polizei an, dass vier Wohnungsschlüssel existierten. Im Prozess räumt er die Existenz zweier weiterer Wohnungsschlüssel ein, die nach dem Ereignis nicht mehr auffindbar waren.
Die Beklagte lehnte die Erbringung einer Versicherungsleistung ab, da sie an der Authentizität der Einbruchspuren zweifelte. Sie warf dem Kläger vor, dass der Einbruchdiebstahl von ihm bzw. seinem Sohn fingiert wurde. Des Weiteren beruft Sie sich auf Leistungsfreiheit wegen unrichtiger Angaben bei der Leistungsprüfung sowie einer Gefahrerhöhung.
Das Landgericht hatte dem Feststellungsantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten erteilte das KG verschiedene Hinweise. In Übereinstimmung mit dem Landgericht wertete der Senat die Kratzer an der Eingangstür als ungeeignete Einbruchspuren. Der Verzicht auf einen Sachverständigen sei damit rechtens gewesen.
Die Beweisführung des Klägers (Berufungsbeklagten) für einen Einsteigediebstahl sieht das KG jedoch anders als das Erstgericht als gescheitert an. Das Landgericht habe bei seiner Tatsachenfeststellung die Beweislast (insoweit ist der Versicherungsnehmer lediglich verpflichtet, dass äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung zu beweisen) und das Beweismaß (verlangt wird nicht, dass die vorhanden Spuren zweifelsfrei einen Einbruch beweisen) zwar zutreffend berücksichtigt. Der Kläger habe auch einen zur Überzeugung des Gerichts genügenden Beweisantritt erbracht, die Beweiswürdigung des Landgerichts bezüglich des Vorliegens eines Einsteigediebstahls durch das Kinderzimmer sei jedoch nicht frei von Zweifeln. Das KG merkt an, dass das Landgericht nicht in ausreichender Weise berücksichtigt habe, dass die Zeugin über keine Erinnerung verfüge, wie der konkrete Zustand des Fensters bei ihrer Rückkehr in die Wohnung war. Die Wahrnehmungen der Zeugin zum Zustand beschränken sich auf den Zeitraum, nachdem die Polizeibeamten das Fenster unter Betätigung des Riegels geschlossen hatten – was ohne weiteres das „Aushängen“ bewirkt haben konnte. Es sei sogar unplausibel, dass die Täter das Fenster aushängten, da sie von außen die waagrechte Stellung des Riegels hätten erkennen können. Da das Landgericht das ausgehängte Fenster als einzige Einbruchspur und Nachweis eines Einstiegs durch eine nicht dafür vorgesehene Zugangsmöglichkeit wertete, sei die Beweisführung des Klägers nicht erfolgreich gewesen.
Das KG merkt an, dass die Falschangabe des Klägers bzgl. der Anzahl der vorhandenen Eingangstürschlüssel für dessen Glaubwürdigkeit in Bezug auf den Entwendungsbeweis nicht folgenlos sein könnte. Welche konkreten Folgen dies für etwaige Beweiserleichterungen des Klägers konkret hat, lässt er jedoch offen.
Im Übrigen stützt das KG die Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung der Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Falschangaben zum Eindringen in die Wohnung und der Verschlusssituation des Fensters. Auch nimmt das KG übereinstimmend mit dem Landgericht keine Gefahrerhöhung wegen eines Defektes am Fenster an.
Einen Nachweis, dass der Versicherungsnehmer bzw. sein Sohn den Einbruchdiebstahl lediglich fingiert habe, habe die Beklagte nach Ansicht des KG und des Landgerichts nicht erbracht.

C. Kontext der Entscheidung

Den Ausführungen des KG ist beizupflichten. Der Versicherungsnehmer hat nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH nur noch das Vorhandensein von genügenden Einbruchspuren zu beweisen, von Spuren, die zumindest mit einer Art „Restwahrscheinlichkeit“ die Möglichkeit eines gewaltsamen Einbringens, hier z.B. durch Aufhebeln eines Fensters, belegen. Oberflächliche Kratzer an einem Schloss oder der Türfalle sind keine „genügenden“ Einbruchspuren, da diese auch nicht mit einem geringen Prozentsatz ein gewaltsames Eindringen als plausibel erscheinen lassen, wenn der Türriegel ausgefahren war. Insoweit bleibt der Versicherungsnehmer beweisfällig für eine solche „Restwahrscheinlichkeit“, selbst wenn eine zeitliche Zuordnung dieser Kratzer zu der Tat möglich ist und Gebrauchsspuren o.a. auszuschließen sind (näher hierzu Günther, jurisPR-VersR 1/2016 Anm. 3, Anmerkung zu OLG Hamm, Urt. v. 23.09.2015 – I-20 W 18/15).

D. Auswirkungen für die Praxis

1. Der Fall belegt die Wichtigkeit einer zeitnahen Überprüfung der Spurensituation. Misslich ist es, wenn die Polizei so dilettantisch vorgeht, wie vom KG beschrieben.
2. Genauso wichtig ist eine zeitnahe Klärung der Verschlusssituation, insb. ob die Fenster vor der Tat ordnungsgemäß geschlossen waren und die Wohnungstür beim letzten Verlassen nicht nur ins Schloss gezogen, sondern ob dieses ein- oder mehrtourig verriegelt wurde.
3. Gleiches gilt für eine Klärung der Schlüsselverhältnisse. In dem vom KG zu beurteilenden Fall waren zwei weitere Schlüssel vorhanden, die gegenüber der Polizei und dem Versicherer zunächst nicht offenbart wurden. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergibt sich nicht, ob nach den Schlüsselverhältnissen vom Versicherer gefragt und ob die Richtigstellung bzgl. der Schlüssel erst nach Aufdeckung der unzutreffenden Angaben (z.B. durch ein kriminaltechnisches Gutachten) aufgedeckt wurde. In diesem Fall hätte sich dem KG die Frage gestellt, ob nicht eine zur Leistungsfreiheit führende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vorliegt, wenn unzutreffende Angaben zu Schlüsselverhältnissen erfolgen. Im Grundsatz ist dies zu bejahen (vgl. z.B. OLG München, Urt. v. 02.10.2003 – 14 U 725/02), wobei der Versicherungsnehmer aber ggf. den Kausalitätsnachweis des § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG erbringen kann, insb. wenn die Schlüssel z.B. zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls sich am Versicherungsort befanden oder seit so langer Zeit fehlen, dass ernsthaft deren Einsatz nicht in Betracht kommt. Dann kommt es darauf an, ob das Verschweigen der beiden Schlüssel arglistig i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG erfolgte, da es dann auf eine Kausalität nicht ankommt. Hier müsste der Versicherungsnehmer sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nachvollziehbar erklären, wie es zu der Falschangaben kommen konnte.

Anforderungen an den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls in der Hausratversicherung
Andrea KahleRechtsanwältin

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